Warum sind Frauen wirtschaftlich immer noch benachteiligt?
Warum ist Lob und Anerkennung ihnen oft wichtiger als faire Bezahlung?
Was sind persönliche und strukturelle Gründe für die geringere Teilhabe an Macht- und Entscheidungspositionen in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft?
Der Club Berlin Dorotheenstadt lud zum dritten Mal zu einem „SI Salon“ in die „Beletage“ des Projekts „Dyade“, das von uns seit vielen Jahren unterstützt wird. Über 50 Teilnehmer*innen kamen, darunter viele externe Gäste und Multiplikatorinnen aus Ministerien, Verbänden und Initiativen. Das zeigt, wie aktuell und brisant die Fragestellungen sind. Passend zum Thema des Salons wurde kurz zuvor der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften an Claudia Goldin verliehen. Sie hat aus Statistiken der letzten 200 Jahre die „versteckten“ Frauen sichtbar gemacht und Erklärungsansätze gefunden, warum Frauen immer noch so viel weniger verdienen als Männer, und warum sich seit Jahrzehnten wenig im Gender Pay Gap tut.
Auf dem Panel diskutierten:
Die Moderation übernahm Dr. Helga Lukoschat, Senior Advisor der EAF Berlin und Mitglied in unserem Club.
1. Gender Pay Gap schließt sich zu langsam
Auch wenn eine Angleichung der Durchschnittslöhne von Frauen und Männern bis zum 30igsten Lebensjahr zu verzeichnen ist, und die Anhebung des Mindestlohns zur Verringerung beigetragen hat, so bleibt über den Lebensverlauf doch ein hohes Gap von derzeit 18 Prozent bestehen. Dieses führt am Ende logischerweise auch zu einem Gender Pension Gap.
Diese Lücke ist mittelbar darauf zurück zu führen, dass weniger Frauen in gutbezahlten Führungspositionen tätig sind sowie in schlechter entlohnten Branchen arbeiten, so Wrohlich.
Als einen der zentralen Gründe identifiziert sie jedoch, dass Frauen mit der Geburt des ersten Kindes sehr viel häufiger als Männer in Teilzeit gehen und Karriereambitionen hintenanstellen. Die unterschiedlichen Einkommen und Verdienste hängen daher eng mit ungleichen Verteilung der familiären Sorgearbeit zusammen. Männer erhöhen dagegen, gerade in dieser Zeit, vor allem nach Geburt des zweiten Kindes, sogar noch ihre Arbeitszeit. Wrohlich sieht daher einen zentralen Hebel für die Bekämpfung des Pay Gaps, in einer besser ausbalancierten Verteilung der Sorgearbeit.
Eine Soroptimistin aus Norwegen trug bei, dass dort sehr positive Erfahrungen mit der verbindlichen Aufteilung der Elternzeit zwischen Frauen und Männern gemacht worden sind.
2. Angleichung zwischen West und Ost
Seit der Wiedervereinigung hat sich das im Westen verbreitete Anderthalbverdiener Modell (Mann in Vollzeit, Frau in Teilzeit) auch zunehmend in Ostdeutschland durchgesetzt. Während es für die Frauengeneration davor selbstverständlich war, trotz Kinder in Vollzeit zu arbeiten, gleicht sich die Nachwendegeneration dem vorherrschenden westdeutschen Modell an. Dies zeigt wie stark strukturelle und soziokulturelle Muster auf individuelles Verhalten einwirken. Vor allem sind die Arbeitswelt und die Unternehmenskulturen nach wie vor so ausgerichtet, dass der Wunsch nach reduzierten Arbeitszeiten zur Beeinträchtigung von Aufstiegschancen führt: Vor allem Männer stoßen damit nach wie vor auf Ablehnung.
Christine Kurmeyer machte dies auch für die Arbeitskultur im Gesundheitsbereich deutlich. Obwohl an der Berliner Charité mehrheitlich Frauen beschäftigt sind, sind die Führungspositionen weiterhin von Männern besetzt. Immer noch gäbe es einen männlich geprägten „Heldenmythos“, der einen heroischen Einsatz rund um die Uhr erwarte. Job-Sharing in Führungspositionen sei so gut wie nicht vorhanden.
3. Starker Einfluss von Stereotypen und Rollenzuschreibungen
Für dasselbe Verhalten werden Frauen und Männer unterschiedlich bewertet, wie Bettina Scheuring betonte. Viele Studien zeigen, dass, wenn Frauen die entscheiden für ihre eigenen Interessen einsetzen und hat um ihr Gehalt verhandeln, als kalt und unsympathisch gelten. Nur Löwenmütter sind geschätzt. Frauen, die engagiert für andere kämpfen.
Frauen vorzuhalten, sie würden nicht gut genug verhandeln, und seien insofern selbst schuld, blendet solche Zusammenhang aus und wälzt das Problem auf die individuelle Frau ab. Jüngst gab es zudem ein wegweisendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts: Danach ist es unzulässig, dass ein Arbeitgeber einer Frau mit dem Argument, der Mann habe besser verhandelt, ein niedrigeres Gehalt zahlt.
4. Strukturelle Probleme müssen als solche artikuliert werden!
Anstatt strukturelle Probleme anzugehen, wird von Frauen erwartet sich selbst zu optimieren. Frauen sollten sich davon freimachen, an sich zu zweifeln oder ständig die eigene Performance zu verbessern! Ein Indiz für den Mental Load, unter dem Frauen leiden, ist beispielsweise, dass sie doppelt so oft an Depressionen wie Männer erkranken.
5. Intensivierung der Elternschaft wirkt Gleichstellung massiv entgegen
Verglichen mit den 70er Jahren findet, vor allem in den gut ausgebildeten Mittelschichten, eine Intensivierung der Elternschaft statt, die viel Zeit und Energie erfordere und überwiegend zu Lasten von Müttern gehe. US-amerikanische Autorinnen sprechen von den „Paradoxies of modern motherhood“.
SID muss sein Netzwerk nutzen und Bewusstsein zu schaffen.
Wir waren uns einig: innerhalb der Clubs, in Veranstaltungen, in den Medien gilt es die Diskussion am Laufen zu halten.
SID muss aber auch seine politischen Möglichkeiten einsetzen, damit strukturelle Benachteiligungen beseitigt werden!
Der Salon klang aus bei vielen angeregten Gesprächen. Für ein köstliches Catering hat das Team der „Dyade“ gesorgt.
Herzlichen Dank an alle, die teilgenommen und zum Erfolg dieses Abends beitragen haben.
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